
Während viele Räume aus unterschiedlichsten Gründen ungenutzt bleiben und leer stehen, fehlt es lokalen Macher*innen (Ein-Personen- und Kleinstunternehmen, Selbstständige, Kunst- und Kulturtätige, Vereine und Initiativen) an passenden und finanzierbaren Raumangeboten. Aktuelle Forschungen zeigen, dass ihr Raumbedarf von herkömmlichen Immobilienangeboten nicht abgedeckt wird und eine Leerstandsaktivierung bzw. häufig auch Absicherung oder Qualifizierung bestehender Raumnutzungen für sie trotz Förderungen aufgrund mangelnder finanzieller Ressourcen nicht möglich ist (siehe S. 8). Gleichzeitig sind ihre Nutzungen zentral für einen bunten Mix an Geschäften, Lokalen und konsumfreien Orten in lebendigen, zukunftsorientierten und nachhaltigen Stadtteilen.
Eine in Österreich neue Möglichkeit zur Finanzierung von raumbezogenen Vorhaben ist der Einsatz von Matchfunding. Bei Matchfunding wird Crowdfunding mit einem zusätzlichen finanziellen Anreiz aus eigens eingerichteten Fördertöpfen kombiniert. Meist gibt es einen Call, bei dem Projekte zu einem bestimmten Thema eingereicht werden können. Aus den Einreichungen werden für das Matchfunding qualifizierte Projekte ausgewählt. Zusätzlich zu den aus der Community generierten Unterstützungen erhalten diese Crowdfunding-Kampagnen finanzielle Mittel aus dem Fördertopf, der von Unternehmen, Stiftungen oder öffentlichen Stellen gefüllt wird. Je nach Prozess erfolgt der Zuschuss aus dem Fördertopf vorab, live (z. B. Verdoppelung der Unterstützungen aus der Community), beim Erreichen einer gewissen Schwelle (siehe RaumBooster und ViertelFonds) oder im Nachhinein. In der Regel gibt es einen Maximalbetrag pro Projekt.
Im Rahmen von zwei Projekten – dem Sondierungsprojekt crowd2raum und dem Forschungsprojekt Stadtkern_PLUS – wurden innovative Ko-Finanzierungsmodelle zur Aktivierung von Leerstand und Absicherung bestehender Raumnutzungen parallel in den Klimapionierstädten Wien und Graz entwickelt und angewandt. Als Reallabor für beide Projekte fungierte die gemeinwohlorientierte digitale Plattform imGrätzl.at (Wien) bzw. WeLocally.at (Graz und weitere Städte). Die Plattform unterstützt die Vernetzung, Sichtbarkeit und Zusammenarbeit von lokalen Macher*innen und bietet gezielt Services für mehr Sichtbarkeit (Schaufenster, Events etc.). Mit dem Raumteiler werden Raumangebote und Raumsuchen zusammengebracht für leistbare, dem Bedarf entsprechende gemeinschaftlich genutzte Flächen. Projekte zur Leerstandsaktivierung werden somit in eine aktive Community von über 17.000 lokalen Macher*innen eingebettet.
Für die Entwicklung und Umsetzung innovativer Matchfunding-Mechaniken eignet sich imGrätzl/WeLocally insbesondere aufgrund des integrierten Crowdfunding-Tools. Die Plattform weist eine hohe Erfolgsquote auf (85 % bei 76 gestarteten Kampagnen, 614.955 € durch 7.141 Unterstützungen seit Mai 2022 – Stand: 28.07.2025). Teams werden bei der Vorbereitung und Durchführung ihrer Kampagnen intensiv begleitet und mit praxisnahem Crowdfunding-Know-how ausgestattet. Laufende offene Crowdfunding-Sprechstunden und -Calls machen diese Finanzierungsmöglichkeit in der Zielgruppe zudem bekannt.
Matchfunding-Pilotprozesse in Wien und Graz: Ziel der beiden Projekte war es, lokalen Macherinnen die Aktivierung von Leerstand bzw. Absicherung bestehender Raumnutzungen zu erleichtern, indem erstmals in Österreich in diesem Kontext gezielt öffentliche Förderungen mit Crowdfunding oder ein Fördertopf für raumbezogene Crowdfundings mit weiteren Unterstützungsleistungen kombiniert wurden. Damit wird die Effektivität von bestehenden raumbezogenen Unterstützungsmaßnahmen der öffentlichen Hand maßgeblich gesteigert. Der Kampagnencharakter von Crowdfunding sorgt für Sichtbarkeit, aktiviert die lokale Gemeinschaft und fördert Vernetzung, Engagement und Beteiligung. Die Integration eines Matchfunding-Mechanismus erhöht die Erfolgschancen von raumbezogenen Crowdfundings (u. a. mehr Unterstützer*innen und höhere Beiträge) und damit die Realisierungschancen von Raumvorhaben – ein wichtiger Beitrag für lebendige, soziale und nachhaltige Stadtteile.
In nur einem Jahr konnte eine Bandbreite an maßgeschneiderten Matchfunding-Prozessen, Modellen und Mechaniken in Wien und Graz getestet werden:
(1) Unterstützungspaket im Rahmen des Grätzlinitiative 20+2-Call (crowd2raum, Wien)
(2) Fördertopf RaumBooster und Aufrunden-Funktion (Stadtkern_PLUS, Wien)
(3) Öffentlich finanzierter Fördertopf ViertelFonds 1 (crowd2raum, Graz)
(4) Privatwirtschaftlich finanzierter Fördertopf ViertelFonds 2 (crowd2raum, Graz).
Die Erfahrungen wurden in dem Projektbericht zusammengefasst: Matchfunding in der Aktivierung von Leerstand und Absicherung bestehender Raumnutzungen